Definition:
Eine Handelsmarke (synonym: Eigenmarke, Hausmarke, Händlermarke; engl.: Distributors Own Brand, kurz DOB, Private Brand, Privat Label) ist, einfach ausgedrückt, eine Marke, die „sich im rechtlichem Eigentum des Handelsunternehmens befindet und eine von diesem angebotene Leistung markiert“ (www.markenlexikon.com). Insgesamt wird der Begriff der Handelsmarke in der Fachliteratur recht uneinheitlich verwendet. Einige Autoren stellen die Handelsmarke dem Markenartikel gegenüber, andere sehen im Markenartikel den Oberbegriff und in der Handelsmarke einen untergeordneten Begriff (vgl. Schenk 2004, S. 123). Nach der Standarddefinition des Bundesministeriums für Wirtschaft sind Handelsmarken:
“Waren- oder Firmenzeichen, mit denen eine Handelsunternehmung oder Verbundgruppe Waren markiert oder markieren lässt, um die so gekennzeichneten Waren exklusiv und im Allgemeinen nur in den eigenen Verkaufsstätten zu vertreiben“ (Ausschuss für Begriffsdefinition aus der Handels- und Absatzwirtschaft 2006, nach Ahlert/Kenning 2007, S. 147).
Nun kritisieren manche Markenforscher, dass diese Definition den Kundenaspekt vollständig vernachlässigt (vgl. Ahlert/Kenning 2007, S. 148). Demnach entstünde eine Handelsmarke ex definitione durch den Akt der Waren-Markierung, was jedoch der hier zu Grunde liegenden Markendefinition widerspricht, da die Marke sich ja erst in den Köpfen der Verbraucher im Laufe der Zeit etablieren muss.
Allerdings ist es doch so, dass die Marke im Allgemeinen tatsächlich der Oberbegriff ist; erst wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung dieser allgemeinen Markendefinition entspricht, kann man von einer Marke bzw. einem Markenartikel überhaupt sprechen. Das nächste Unterscheidungskriterium ist dann nämlich, ob es sich um eine Hersteller- oder Handelsmarke handelt, und hier gelten andere Kriterien. Der Kundenaspekt wird in der allgemeinen Markendefinition geklärt, danach geht es vorwiegend um die Frage, wer die Rechte an der Marke hat: der Hersteller oder das Handelsunternehmen. Dieser Argumentation folgend ist es m.E. absolut legitim die Standarddefinition des Bundesministeriums auch wissenschaftlich zu nutzen.
Vereinfachend kann also festhalten werden, dass Handelsmarken die Markenartikel der Handelsunternehmen sind. Sie werden ebenso professionell gefertigt und gepflegt wie die Markenartikel der Hersteller. Die zwei wichtigsten Unterschiede sind, dass die Distribution der Handelsmarken auf das Handelsunternehmen beschränkt ist und die Marketing-Urheberschaft bei eben diesem liegt (vgl. Oehme 2001, S. 151).
Funktionen:
Die zentrale Frage lautet natürlich: Was veranlasst die Handelsunternehmen dazu ihre eigenen Marken auf den Markt zu bringen? Abgesehen von historischen Motiven, (wie z.B. den Aufbau eigener Handelsmarken aufgrund von Boykotten seitens der Hersteller), schwachen konjunkturbedingten Phasen oder der Öffnung der Ostgrenzen, kann die zunehmende Bedeutung der Handelsmarken vor allem auf die zunehmende Emanzipierung und Professionalisierung des Handelsmarketing zurückgeführt werden (vgl. Ahlert/Kenning 2007, S. 149 u. 154; Sattler/Völckner, 2007, S. 164f.).
Die wohl grundlegendsten Funktionen der Handelsmarken sind die Preis-Leistungs-Funktion und die Sortiments-Leistungs-Funktion. Sie erlauben es den Händlern ihr Sortiment nach unten abzurunden und Sortimentslücken zu schließen. Empirische Studien zeigen, dass der Preisabstand zwischen Handels- und (vergleichbarer) Herstellermarke im Durchschnitt bei ca. 20% liegt (vgl. Ahlert/Kenning 2007, S. 149). Der einzige Nachteil der Handelsmarken in dieser Hinsicht ist, dass die Verbraucher mit ihnen oft eine mindere Qualität in Verbindung bringen, der niedrigere Preis bestätigt insoweit nur ihre Meinung. Dies ist im Allgemeinen nicht richtig, wie die objektiven vergleichenden Warentests immer wieder beweisen. Nichtsdestotrotz bleibt dem Händler meist eine dicke Marge (=Gewinn), was wahrscheinlich die wichtigste Funktion ist.
Mit dem Aufbau starker Eigenmarken geht die Profilierungsfunktion einher. Der Händler schafft es, sich mit ihrer Hilfe von dem Angebot anderer Wettbewerber zu differenzieren, da sie dieselben Marken ja nicht anbieten können. Jeder Kunde, der genau diese Marke erwerben möchte, ist an diesen Händler gebunden (Bindungsfunktion) (zu diesen und weiteren Funktionen, die aber im Wesentlichen auf die hier genannten reduziert werden können vgl. u.a. Oehme 2001, S. 151; Ahlert/Kenning 2007, S. 149; Bruhn 2004, S. 30; Schenk 2004, S. 130 u. S. 137).
Da die Handelsunternehmen nur in seltenen Fällen die Eigenmarken auch selbst produzieren, bleibt schließlich noch die Frage: welche Motive haben die Hersteller die Handelsmarken überhaupt zu produzieren? Denn oft sind es ja Konkurrenzprodukte zu ihren eigenen Marken, die im Regal meist direkt nebeneinander stehen, sodass der Kunde sie problemlos miteinander vergleichen kann. Für die Hersteller ist es jedoch ein relativ sicheres Geschäft, das sogar risikoreduzierend wirken kann. Wenn der Hersteller nämlich alle Kosten berücksichtigt, auch die Mindereinnahmen bei seinem Hauptprodukt aufgrund der neuen Konkurrenzsituation richtig bewertet, kann er eventuell dem Handelsunternehmen ein Angebot vorlegen das für beide Seiten lohnenswert ist. Für die Markierung des Produkts, seine Distribution und Werbung ist ja das Handelsunternehmen verantwortlich und trägt somit auch die Kosten dafür. Bei der Produktion der Ware kann der Hersteller möglicherweise Überkapazitäten abbauen, dies mindert die Stück- und die Grenzkosten. Durch diese Mehrproduktstrategie, die mit einer Erweiterung des Absatzpotenzials einhergeht, gewinnt er die Möglichkeit von Erlössteigerungen, dabei lassen sich zusätzliche Kostensenkungspotenziale durch Realisierung von Erfahrungskurveneffekten und Fixkostendegression realisieren. Darüber hinaus ist das Angebot von Handelsmarken für die Hersteller häufig die einzige Möglichkeit, seine Produkte über Discounter zu vertreiben. Schließlich bietet die Produktion von Handelsmarken die Möglichkeit, die Verhandlungsposition im Rahmen der Hersteller-Handels-Beziehung zu verbessern (vgl. Bruhn 2004, S. 30; Sattler/Völckner 2007, S. 167).
Erscheinungsformen:
Im Verlaufe ihrer Entwicklung haben die Handelsmarken mehrere Stadien durchlaufen. Bislang unterschied man in der Fachliteratur zwischen drei Generationen von Handelsmarken, wobei sich immer mehr die Meinung durchsetzt (auch wenn diese nicht von allen Markenforschern geteilt wird), dass es mittlerweile, und vor allem mit einem Blick in die Zukunft gerichtet, auch eine vierte Generation gibt.
Auf der ersten Entwicklungsstufe befinden sich die „no-names“ (synonym „Gattungsmarken“, „generics“, „weiße Ware“, „produit libres“). Mitte der 70er Jahre gerieten die etablierten Lebensmittelhändler durch das verstärkte Auftauchen von Discountern zunehmend unter Druck (vgl. Oehme 2001, S. 158). Um nicht vom Markt verdrängt zu werden mussten sie ähnliche Artikel zu ähnlichen Preisen wie die Discounter anbieten. Da sie aufgrund ihrer Betriebsform, ihrer grundsätzlichen Ausrichtung und strategischen Positionierung am Markt nicht das gesamte Konzept der Discounter kopieren konnten, konzentrierten sie sich auf die Kostensenkungspotenziale die sie hatten. So kamen sie auf die Idee die Produkte einfach weiß zu verpacken und auf die Verpackung nur den Produktnamen wie Mehl, Zucker, Toilettenpapier etc aufzudrucken. Auch der Marketingaufwand für diese Produkte sollte minimal sein und die Qualität der Ware war oft geringer als beim vergleichbaren Herstellerprodukt. So konnten sie tatsächlich mit den Preisen der Discounter mithalten und sogar noch Erträge erwirtschaften (vgl. ebd.; Ahlert/Kenning 2007, S. 149).
Aus diesen no-names sind im Laufe der Zeit Handelsmarken der Niedrigpreislinie geworden und sie haben sich bis in die Gegenwart in den Sortimenten der führenden Lebensmittelhändler gehalten. Erfolgreiche Beispiele sind „A&P“ (Attraktiv & Preiswert) von Kaisers Tengelmann AG, die „Sparsamen“ von Spar und die „Ja!“-Produkte von Rewe. Zu ihren wichtigsten Kennzeichen gehört weiterhin die einfache Verpackung, eine mittlerweile akzeptable Qualität, die den Kunden nicht enttäuschen darf, natürlich der günstige Preis, der möglichst deutlich unter den vergleichbaren Produkten liegen sollte, und eine lückenlose und stets präsente Distribution im Handelsunternehmen (vgl. Oehme 2001, S. 158).
Die Handelsmarken der zweiten Generation sind die klassischen Handelsmarken, die auch als „Quasi-Marken“ bezeichnet werden. Dies sind vor allem großvolumige Einzelartikel, die als Alternative zu den etablierten Herstellermarken angeboten werden. Technologisch gesehen sind sie leicht im Rückstand gegenüber dem Marktführer, qualitativ befinden sie sich im mittleren Bereich, obwohl sie von den Konsumenten oft als minderwertiger empfunden werden. Da sie meist zur Kennzeichnung größerer Warenkategorien dienen ist die Produktgestaltung eigenständiger als bei Gattungsmarken. Das entscheidende Kaufmotiv ist aber auch bei den klassischen Handelsmarken weiterhin der Preis. Als erfolgreiche Beispiele gelten die Handelsmarken „Salto“ von Rewe oder „McNeal“ von Peek & Cloppenburg (vgl. ebd.).
Die dritte Stufe der Handelsmarkenentwicklung bilden die Premium-Handelsmarken. Technologisch und qualitativ gesehen sind sie mit dem Marktführer vergleichbar und ihr größter Vorteil ist, dass sie neben eigener Differenzierung einen wichtigen Beitrag zur Profilierung der Einkaufsstätte und damit auch zur Kundenbindung liefern. Die Kaufmotivation bildet sowohl die hohe Produktqualität als auch der relativ niedrige Preis. Außerdem zeichnen sich die Premium-Handelsmarken durch einen segmentierenden Charakter aus und tragen ein gewisses Potenzial inne neue Marktsegmente schaffen zu können. So ist es z.B. Rewe gelungen mit der Premium-Handelsmarke „Füllhorn“ ein Marktsegment der hochpreisigen Ökoprodukte im Lebensmittelbereich erfolgreich zu besetzen (vgl. Ahlert/Kenning 2007, S. 156; Schenk 2004, S. 130ff.).
Die vierte, noch recht umstrittene, jedoch in Angesicht dieser Entwicklung auch logische Generation der Handelsmarke, ist die segmentierte „Gestaltmarke“. Dies sind innovative, imagebildende Produkte die qualitativ mindestens genauso gut sind wie die des Marktführers. Die Kaufmotivation ist hier das bessere Produkt, der Preis tritt als Kaufkriterium in den Hintergrund (vgl. Oehme 2001, S. 156).
Während von der Boston Consulting Group ein Trend hin zur vierten Generation prognostiziert wurde, ist Sattler (2001, S. 40) der Meinung, dass sich die meisten Handelsmarken, gerade in Deutschland, noch in der zweiten und dritten Generation befinden. Die Diskussion in diesem Zusammenhang hängt auch mit der Frage zusammen, inwieweit Handelsmarken Marken im eigentlichen Sinne sind. Autoren wie Schubert, Lindenberg und Mann lassen Handelsmarken prinzipiell nicht als Markenartikel gelten oder sprechen ihnen nur einen bescheidenen Erfolg zu (vgl. Bruhn 1994, S. 2010).
Nun ist es sicherlich so, dass der größte Teil der Handelsmarken sich tatsächlich noch in der zweiten oder dritten Generation befindet. Trotzdem erfüllen manche Premium-Handelsmarken der dritten Generation schon heute die Bedingungen der vierten Generation und der Trend dahin, gerade unter der Berücksichtigung der weiterhin zunehmenden Emanzipation des Handels, scheint einfach logisch zu sein.
-> Hier geht es weiter mit dem Thema “Funktionen von Marken aus Konsumentensicht”