Das größte Problem für einzelne Marken im Allgemeinen ist, dass es viel zu viele von ihnen gibt. Jedes halbwegs erfolgreiche Produkt wird in kürzester Zeit kopiert, nachgeahmt und eventuell sogar noch günstiger angeboten. Mehrere Entwicklungen finden praktisch schon seit Jahrzehnten gleichzeitig statt: Marken-Inflation, Marken-Erosion, Marken- Austauschbarkeit, Me-too-Produkte, Wertschöpfungs-verfall (vgl. Michael 2001, S. 175). Ungefähr 90% aller im Zeitraum von zwei Jahren neu eingeführten Artikel im Bereich Nahrungs- und Genussmittel sollen Flops sein (vgl. Lange 2001, S. 113). Hinzu kommt, dass wir in einer sehr schnelllebigen Welt agieren. Die Märkte scheinen sich über Nacht zu ändern, aus den gemütlichen „Tante-Emma-Läden“ sind riesige Massenmärkte entstanden, die durch kompliziert fragmentierte Nischen-Märkte ergänzt werden, langfristige Entwicklungen mutieren zu kurzlebigen Trends, brandneue Produkte sind nach einem Jahr schon „uralt“, die Innovationszyklen beschleunigen sich – aus Jahren werden Monate. Und der Endverbraucher ist mit dieser Situation überfordert. Nicht nur, dass er die Orientierung verliert, er verliert auch jegliches Interesse sich mit dieser Thematik zu beschäftigen. Entsprechend seinen individualisierten Vorstellungen kauft er mal hier, mal da ein, ein logisches Muster scheint da kaum mehr vorhanden zu sein (vgl. Michael 2001, S. 176).

Damit einhergehend verlieren im Handel ganze Betriebsformen an Profil, der Verbraucher unterscheidet eventuell noch zwischen einem Discounter und einem Fachgeschäft, aber innerhalb derselben Betriebsform gibt es kaum wahrnehmbare Unterschiede. Alle Marketingmöglichkeiten scheinen ausgeschöpft zu sein: ob nun die Ladengestaltung im Allgemeinen, die Sortimentsgestaltung im Speziellen, die Kommunikations- oder die Servicepolitik, wenn eins von den Marketinginstrumenten erfolgreich war, dann wurde es innerhalb kürzester Zeit kopiert (vgl. Meyer 2000, S. 18). Sich über den Preis zu profilieren ist längst zu einer Königsdisziplin geworden, in vielen Branchen und von vielen Konsumenten wird es ganz einfach erwartet. Ähnlich verhält es sich mit Handelsmarken: sich mit ihrer Hilfe von der Konkurrenz zu unterscheiden fällt schwer, weil alle großen Handelsunternehmen mittlerweile Eigenmarken anbieten. Ihre hohen Margen erlauben es den Unternehmen noch Gewinne einzufahren, während sie andere Artikel fast zu Einkaufspreisen anbieten, um sich als besonders preisgünstig zu positionieren.

Wie hart umkämpft gerade der deutsche Markt ist, zeigt das Scheitern Wal-Marts, des größten Handelskonzerns der Welt, der mit einer aggressiven Niedrig-Preis-Politik den deutschen Markt aufrollen wollte, nach acht Jahren jedoch kapitulierte und seine 85 Filialen an den Erzrivalen Metro verkaufte (vgl. www.wallstreet-online.de). Vor Wal-Mart sind schon viele andere namhafte Handelsriesen nach Millionenverlusten aus Deutschland geflüchtet: der französische Supermarktkonzern Intermarche, die italienische Modekette Oviesse, die britische Baumarktkette Castorama oder die britische Warenhauskette Marks & Spencer, die es schon zwei mal gegen Karstadt und Kaufhof versucht hat und beide Male aufgeben musste. Der deutsche Handel leidet insgesamt unter einem massiven Überangebot: 120 Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche stehen den Deutschen zur Verfügung, viel mehr als in Großbritannien oder Frankreich (vgl. ebd.). In Deutschland kommen auf eine Million Einwohner fast 250 Lebensmittel-Einzelhandelsfilialen, in Großbritannien sind es nur 110, in Frankreich 120 (vgl. www.faz.net). Der deutsche Einzelhandelsmarkt ist tatsächlich „ein Stahlbad“ und vielleicht der schwierigste Markt weltweit (vgl. www.wallstreet-online.de). Damit also eine Marke aus dem undurchsichtigen Dschungel der Markenvielfalt hervorgehoben wird, damit sie in unserer sich schnell wandelnden Welt eine Konstante wird und dem Konsumenten als eine Art Anker dienen kann, braucht sie etwas Besonderes, Einmaliges, etwas Außergewöhnliches. Sie braucht ein deutliches und eigenständiges Profil, eine klare und spitze Positionierung, eine eigene unverwechselbare Identität. Dasselbe trifft auf ganze (Handels) Unternehmen zu: um sich von der Konkurrenz zu differenzieren, brauchen auch sie eine eigene, unverwechselbare Identität. „Aus ganzheitlicher Sicht muss das Handelsunternehmen sich selbst als Marke etablieren“ (Liebmann/Zentes 2001, S. 87). Unter den zehn bekanntesten Marken in Deutschland taucht nur ein Handelsunternehmen auf: ALDI (vgl. ebd.). Das ist nicht unbedingt verwunderlich, aber ALDI zeigt hier mal wieder, dass auch Handelsunternehmen sich sehr erfolgreich als Marke mit einem starken Eigencharakter, mit einer persönlichen Identität etablieren können. Und es zeigt, dass für die Handelsunternehmen noch durchaus Potenzial nach oben vorhanden ist.

 

-> Hier geht es weiter mit der “Integration der angebots- und der nachfrageorientierten Theorien”

 

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