Bei der Dachmarkenstrategie (synonym: Programmmarke, Company-Marke, Corporate Brand; umgangssprachlich auch „Umbrella Brand“) werden sämtliche Produkte eines Unternehmens unter einer einheitlichen Marke geführt. Im Vordergrund der Profilierungsbemühungen steht das Unternehmen und dessen Kompetenz (vgl. Becker 2004, S. 647; Esch 2003, S. 259).

 

Vorteile der Dachmarkenstrategie

Die Dachmarkenstrategie ist sehr stark verbreitet. Gerade im Dienstleistungsbereich sind nahezu 80% der angemeldeten Dienstleistungsmarken Dachmarken (vgl. Meffert et al. 2002, S. 144). Die typischen Beispiele hier sind Lufthansa und Allianz, im Nicht-Dienstleistungsbereich Siemens, Boss, Oetker oder Bahlsen. Bei den Handelsunternehmen sind es Aldi, Lidl, H&M, IKEA oder auch Staples. Die Dachmarke als Strategie zu wählen macht Sinn, wenn der Umfang des Programms zu groß für eine sinnvolle bzw. ökonomische Einzelmarkenstrategie ist (wie z.B. bei Siemens) oder sich Zielgruppen und Positionierung nicht wesentlich voneinander unterscheiden (wie bei der Allianz), und/oder wenn sich das Programm oder wesentliche Teile davon starken Modeschwankungen unterliegen (z.B. Boss bzw. Escada) (vgl. Becker 2004, S. 647).

Mit der Verfolgung einer Dachmarkenstrategie wird das Floprisiko bei Neuprodukteinführungen noch weiter gesenkt als bei der Familienstrategie (zumindest wenn das Image des Unternehmens sehr positiv ist) und auch die Akzeptanz beim Handel und Konsumenten wird schneller erreicht. Auch hier wird der Markenmehraufwand durch alle Produkte getragen und alle Marken profitieren von dem positiven Image der Dachmarke. Der wichtigste Punkt ist aber, dass die Dachmarkenstrategie als einzige die Möglichkeit bietet, eine unverwechselbare Unternehmens- und Markenidentität aufzubauen (vgl. Meffert et al. 2002, S. 144; Esch 2003, S. 259).

 

Nachteile der Dachmarkenstrategie

Diesen Vorteilen steht ein gravierender Nachteil gegenüber, die Gefahr der Markenerosion. Es kann ein Profilierungsnachteil entstehen, wenn die Produkt- und Dienstleistungsprogramme sehr heterogen sind und die Konsumenten den Kompetenzanspruch des Unternehmens nicht mehr für alle Produkte akzeptieren. Mit diesem Problem sah sich z.B. das Unternehmen Melitta konfrontiert, als es unter seinem Dach neben Produkten zur Kaffeezubereitung (Kaffee, Filter etc.) auch Lebensmittelfolien, Müll- und Staubsaugerbeutel, Luftreiniger etc. auf den Markt brachte. Untersuchungen zeigten, dass die Verbraucher den Kompetenzanspruch des Unternehmens nur noch in Teilbereichen akzeptierten und die einst klare Positionierung von Melitta ging verloren. Das Unternehmen sah sich zu einer Restrukturierung und zum Aufbau einzelner Geschäftsfelder gezwungen. Die neuen Marken Toppits (Lebensmittelfolien), Aclimat (Luftreiniger und -befeuchter), sowie Cilia (Tee-Genuss) konnten dementsprechend klarer und spitzer positioniert werden (vgl. Meffert et al. 2002, S. 144; Esch 2003, S. 261).

Allerdings muss hier ein wenig zwischen den herstellenden Unternehmen und dem Handel unterschieden werden. In der Praxis bieten Handelsgrößen wie ALDI oder Lidl schon seit einiger Zeit sehr heterogene Produkte an, u.a. Computer, Reisen oder gar Autos, was für einen Lebensmitteleinzelhändler schon recht ungewöhnlich ist. Trotzdem wird das Bild, das die Konsumenten von den Unternehmen haben, nicht gravierend gestört. Die Verbraucher kaufen den Unternehmen den Kompetenzanspruch ab, auch in diesen Bereichen nicht nur besonders günstig, sondern auch qualitativ anspruchsvoll zu sein, was durch die Stiftung Warentest meist auch recht eindrucksvoll belegt wird. Darüber hinausgehend kann man sogar sagen, dass ALDI es hier mal wieder geschafft hat seine Position als Preisführer nicht nur zu verteidigen, sondern weiter zu festigen und auszubauen. Das Vertrauen in die Marke ALDI als der Niedrigpreisanbieter scheint nur noch weiter zugenommen zu haben (vgl. Meyer 2000, S. 18).

 

Dachmarkenstrategie im Handel

Des Weiteren verdient die Dachmarkenstrategie im Handel einer ganz besonderen Betrachtung. Denn trotz eines kontinuierlichen Zusammenwachsens gibt es nach wie vor gravierende Unterschiede zwischen den Handelsunternehmen und den traditionellen Markenartikelherstellern. Die Schwerpunkte sind anders gelagert, die Leistungen des Einzelhandels sind zweifelsohne sehr viel komplexer. Die Einzelhändler haben vor allem meist ein sehr viel größeres Sortiment, viele verschiedene Standorte und Mitarbeiter. Bisher wurde hauptsächlich darüber gesprochen, welche Möglichkeiten ein Unternehmen hat, um sich bzw. eine Marke erfolgreich im Markt zu etablieren. In den beiden folgenden Kapiteln sollen die Handelsunternehmen in den Fokus der Untersuchung gerückt werden, sowie die Rahmenbedingungen ihres Handelns näher vorgestellt werden, in denen eine erstaunlich hohe Dynamik steckt. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte kam es immer wieder zu Spannungen zwischen den Herstellern und dem Handel, wobei der Handel nach und nach immer mehr Freiheiten, Rechte und auch mehr Macht gegenüber den Herstellern hinzugewinnen konnte. Eine wichtige Rolle bei der Emanzipierung des Handels gegenüber den Herstellern spielte sicherlich die Umgehung des Großhandels im Laufe der Zeit und die Aufhebung der vertikalen Preisbindung 1973. Da es gerade im Handel ganz viele verschiedene Betriebstypen und -formen gibt, muss auch der Frage nachgegangen werden, ob bestimmte Konzeptionen Vorteile gegenüber anderen aufweisen und auch, ob es so etwas wie ein allgemeingültiges Gesetz gibt, nach dem die Angebotsformen auftauchen und wieder verschwinden.

-> Hier geht es zum nächsten Kapitel mit dem Titel “Der Wandel im Handel”

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